SVS COLLISIONS - DARK MATTER
Artist Residency in Canfranc, Spanien. In Kooperation mit der TU München
und dem Laboratorio Subterráneo de Canfranc.
Mein persönlicher Fokus während der Residency knüpft an die Auseinandersetzung mit einer Politik der Materialität an. Jedes Material hat als Rohstoff einen historischen Index, beinhaltet eine Materialästhetik und Materialikonografie. In Form gebracht, als nicht mehr rohes Material bekommt es eine Nutzungsbestimmung. Die Produktion und industrielle Fertigung steht als Sinnbild für gesellschaftliche Verhältnisse und repräsentiert somit materialisierte gesellschaftliche Arbeit. Spuren des individuellen Gebrauchs zeigen sich in Verformungen, Verfärbungen und Brüchen und kontextualisieren das Objekt in Bezug auf ein agierendes Subjekt.
Die Zugstation in Canfranc Estation spielt eine tragende Rolle für die Stadtentwicklung und auch für die Entstehung der Forschungsstation Laboratorio Subterráneo de Canfranc. Einst hat sie als Grenzstation Frankreich und Spanien verbunden, während des Zweiten Weltkriegs war sie Umschlagort zum Handel mit Nazigold und gleichzeitig ein Anlaufpunkt für Menschen auf der Flucht, auf dem Weg nach Amerika. Nach einer Zugentgleisung auf der französischen Seite der Bahnstrecke wurde die Strecke unterbrochen und nie wieder in Betrieb genommen. Aus dem Tunnel, der durch die Pyrenäen nach Frankreich führt, ist später die Forschungsstation entstanden, da der Tunnel und das Gestein die perfekten Bedingungen für die Erforschung dunkler Materie bietet.
Der Leerstand und der Zerfall der alten Gleisanlagen geht einher mit soziologischen Veränderungen und der Stadtentwicklung. Und sie bieten ein Experimentierfeld für meine Fragen an Materialität. Der Eingriff des Menschen und die daraus entstandene Architektur trägt ein Archiv der Berührung und Nutzung in sich. Jedes Material hat eine Eigenfrequenz, bei der es anfängt zu oszillieren. Diese Schwingung, ausgelöst durch eine immaterielle Berührung, ist Grundlage meiner auditiven Auseinandersetzung mit Material. In Schwingung gebracht machen die Schienen der Bahnanlage ein Narrativ hörbar: Von Zügen, die lang nicht mehr dort ankommen, von ihrer Arbeit, die sie noch heute verrichten oder von Nachrichten, die über sie in Zukunft transportiert werden.